Einzelne Hospizmitglieder schildern ihre Beweggründe, weshalb sie sich entschlossen, schwerkranke und sterbende Menschen auf ihrem letzten Lebensweg zu begleiten.
Martina Hahn
Als meine Mutter im Jahr 2004 die Diagnose „Bauchspeicheldrüsenkrebs“ erhielt, war dies für uns alle ein Schock. Zu dieser Zeit wusste ich noch nichts über das Sterben. Ich begleitete sie – als Einzelkind mit starker Bindung – auf diesem, ihrem letzten Weg. Nach erster Diagnose hätte der Abschied eigentlich schnell kommen sollen. Die technischen Möglichkeiten der Medizin, ihr starkes Herz, unser aller Zuversicht sowie ihr starker Wille ließen uns jedoch noch fast drei gemeinsame Jahre. Dieser Zeitraum, mit all seinen Höhen und Tiefen und den wertvollen Erfahrungen, die ich später, während der Begleitung meines Vaters, auf eine ganz andere Art vertiefen durfte, waren der Grundstock für mein heutiges Engagement in der Hospizhilfe, der ich mich im Jahre 2014 anschloss.
Ohne Wertung, mit Herz, Geist und Verstand begleite ich seitdem Sterbende und deren Angehörige auf diesem oft so schweren Weg.
Karin Timm
„Man sagt ja oft, das Leben gleiche den Jahreszeiten“. Auf den Frühling der Kindheit und Jugend folgt der Sommer und der Herbst des Erwachsenenlebens. Dass das Alter – im Bild gesprochen, der Winter – für andere Menschen nicht farblos, einsam und kalt sein muss, dafür setze ich mich gerne ein. Seit meine eigene Mutter vor zehn Jahren nach kurzem Aufenthalt im Karbener Seniorenheim heimgegangen ist, begann ich dort einen Besuchsdienst. Hier treffe ich regelmäßig Bewohner, die keine Angehörigen in der Nähe haben. Diese Besuche bereiten mir selbst Freude, auch wenn körperliche Beschwerden oder seelisches Leid des Öfteren Themen sind, die die alten Menschen beschäftigen.
Eine Dame freute sich sehr auf meine Besuche, weil sie mich immer gern beim „Mensch-ärgere-dich-nicht“ schlagen wollte. Mit manchen betrachte ich alte Fotoalben, besorge Kleinigkeiten oder bringe auch mal einen Kartoffelsalat als Leibspeise mit. Gerne höre ich die Geschichten der Menschen, die aus einem reichen Leben stammen. Ich staune darüber, wie jedes Leben so einzigartig verläuft und voll interessanter Begebenheiten steckt. Und ja, oft hieß es auch hier Abschied für immer zu nehmen, die Trauer zuzulassen und zu verarbeiten.
Auf Initiative von Frau Dr. Wedekind wurde 2008 in Karben eingeladen, eine Hospizgruppe zu bilden. Eine Reihe Seminare und Ausbildungsstunden folgten. Gemeinsam als Gruppe besuchten wir ambulante Pflegekreise, Seniorenheime und Krankenhäuser.
Und auch in meinem familiären Umfeld gab es in dieser Zeit einige endgültige Abschiede. Oft war ich selbst bis zum Ende dabei. Manche haben mir deswegen den Beinamen „Die Hebamme“ gegeben. Ich finde das passend. Denn jedes Sterben verstehe ich aus meinem christlichen Glauben heraus als einen neuen Anfang.
Wenn ich Gelegenheit habe, mit alten Menschen und ihren Angehörigen zu sprechen, weise ich gern darauf hin, dass kein Mensch allein die letzte Reise antreten muss. Neben der Begleitung Sterbender bietet die Hospizarbeit außerdem Hilfe und Unterstützung für Angehörige.
Unsere Hospizgruppe besteht aus 15 gleichgesinnten Menschen, die die Einsätze mit Freude, Mitgefühl, ehrenamtlich und verschwiegen tun. In dieser Gruppe erleben wir eine wunderbare Gemeinschaft und einen starken Rückhalt, die mir Kraft gibt für die nicht immer leichte Arbeit. Seit sieben Jahren (Stand 2015) erlebe ich diese Treffen als eine Zeit, die mein Leben bereichert und die ich nicht mehr missen möchte. Die Hospiz-Einsätze und unsere Treffen in der Gruppe tragen dazu bei, dass mein Leben erfüllter ist und ich im Alltag ein dankbares Herz habe.
Michael Liebs
Ich heiße Michael und stehe mitten im Leben, wie man so sagt. In Vereinen habe ich schon früh erfahren, was man unter sozialem Engagement versteht. Für mich ist es ganz normal und gehört zum Leben einfach dazu. Auch meine Mutter hat an dieser Entwicklung einen entscheidenden Anteil gehabt. Durch einen Schlaganfall bedingt, konnte sie ihren Haushalt plötzlich nicht mehr aus eigener Kraft führen. Aber nicht nur dafür musste eine Lösung gefunden werden, die zusätzlich auftretende Depression erforderte eine besondere Zuwendung. So habe ich begonnen, mich intensiv um die Pflege meiner Mutter zu kümmern. Da ich aber dafür keine fachkundige Ausbildung hatte, suchte ich einen Weg, um an wichtige Informationen heranzukommen.
Dabei bin ich auf die „Ambulante Hospizhilfe Karben“ gestoßen. Hier habe ich ein Schulungsprogramm durchlaufen, welches durch Praktika untermauert wurde. Nachdem meine Mutter gestorben war, bin ich weiterhin für die „Ambulante Hospizhilfe Karben“ tätig. Ich habe erkannt, dass es für Menschen eine große Hilfe ist, wenn sie beim Sterben begleitet werden. Bei meiner Mutter ging dies über einen Zeitraum von zwei Jahren. Eine lange und nicht immer leichte Zeit, die ich aber niemals missen möchte.
Ich bin froh, mit meinem erworbenen Wissen helfen zu können. Das erfordert Kraft und Mühe, aber es ist sehr gut, diese Tätigkeit in einer Gruppe Gleichgesinnter leisten zu können.
Gudrun Gredel
Es begann damit, dass nach beinahe 40 Jahren, durch den Tod meines Partners und die damit zusammenhängenden räumlichen Veränderungen, mein Leben eine Wende erfuhr, wie sie oft ganz klassisch im Alter stattfindet.
Ich suchte nach einer Aufgabe in meinem neuen Umfeld.
Nach einem Informationsabend der Ambulanten Hospizhilfe Karben wurde mir wieder einmal vor Augen geführt, wie viele alte, kranke, einsame und auch demente Menschen es gibt, die sehr oft keine Aufmerksamkeit und liebevolle Zuwendung erfahren.
Schon die folgende Ausbildung zur Hospizhelferin war eine wunderbare Erfahrung.
Durch den plötzlichen Tod meiner Eltern blieb für mich damals, als Hinterbliebene, kein langes Abschiednehmen. Nur tiefe Trauer und die Erkenntnis, dass ich zwei Menschen verloren hatte, die mir so wichtig waren und mir niemand mehr so viel vorbehaltlose Liebe schenken würden, wie es nur Eltern können.
Viele Jahre später: der Tod meines Partners, der langsame Schwund seiner Kraft, und besonders schlimm der Geisteskraft. An seinem Sterbebett lernte ich loslassen und merkte auch, dass dies für ihn eine große Erleichterung war.
Diese Erfahrungen geben mir Kraft in der Begleitung.
Zurzeit betreue ich eine 92jährige Frau, die an Demenz erkrankt ist. Mit ihr bin ich auch verwandtschaftlich verbunden. In meiner Jugend habe ich sie als toleranten, geistreichen und musikalischen Menschen kennengelernt. Jetzt braucht sie rund um die Uhr Hilfe. Weiterhin ist sie liebenswert; ich kümmere mich gern um sie. Wir können herzlich über jeden Unsinn miteinander lachen. Auch ihr Wunsch nach körperlicher Zuwendung ist mir nicht unangenehm.
Oft gibt es nicht so günstige Bedingungen in der Lebens- und Sterbensbegleitung, vor allem, wenn die zu Begleitenden keine Angehörigen haben. Es ist dann ganz viel Einfühlungsvermögen nötig, die Wünsche und Sehnsüchte zu erkennen.
Schön ist es, wenn ich Angehörige am Bett antreffe, dann erfahre ich oft noch viel über die Sterbenden, dann gelingt es mir auch besser, die anfängliche Unsicherheit zu überwinden.
Wenn Zweifel auftreten, ob mich manches zu sehr belastet, finde ich stets den nötigen Rückhalt in unserer Gemeinschaft.